Bundesgerichtshof entscheidet zum Zurückbehaltungsrecht
des Käufers bei Lieferung eines Neuwagens mit
einem geringfügigen Lackschaden
 
Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 211/1

Der Sachverhalt:
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Käufer eines Neuwagens mit einem (geringfügigen) Lackkratzer bei Lieferung, das Fahrzeug "zurückweisen" darf.


Der Beklagte kaufte bei der Beklagten ein Neufahrzeug, das kostenfrei dem Kläger an seinen Wohnsitz angeliefert werden sollte. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt: "Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von… [der Klägerin]… übernommen." Der Beklagte erklärte unverzüglich, dass er das Fahrzeug "zurückweise" und den Kaufpreis nicht zahle. Nach Ansicht der Klägerin lag ein "Bagatellschaden" vor. Sie wollte den vollständigen Kaufpreis. Der Beklagte übersandte ihr einen Kostenvoranschlag über 528,30 €. Die Klägerin wollte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen.
Da keine Einigung erzielt werden konnte,  wurde das Fahrzeug im August 2013 von der Klägerin beim Beklagten abgeholt. Die Klägerin reparierte den Lackschaden und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus. Dieser überwies den den gesamten Kaufpreis.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, ferner "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138,64 €. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
"Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln - wie dem hier vorliegenden Lackschaden - grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen, noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist.
Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB* hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB** und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB*** zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.
Zwar können der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lagen hier indes nicht vor. Im Gegenteil hatte die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem hat die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte.
Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, "Standgeld") handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren."

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